Nachhaltigkeit „Fest vun der Natur“: Brütende Hitze, mutige Pioniere und solidarische Konsumenten

Nachhaltigkeit  / „Fest vun der Natur“: Brütende Hitze, mutige Pioniere und solidarische Konsumenten
Yves Diederich und Claire Thill Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Beim alljährlichen „Fest vun der Natur“ trifft sich die Szene – auch bei 36 Grad. Rund 50 Aussteller haben am Wochenende auf Kockelscheuer ihre Projekte, Ideen und Produkte präsentiert, die die Welt ein bisschen besser aussehen lassen könnten. Manche kommen aus Verbundenheit zur Szene, andere, weil sie sich bekannter machen wollen.

„Ouni Pestiziden“ gehört zweifelsfrei zu den Ausstellern in der Kategorie „alte Bekannte“. „Zu diesem Fest kommen überwiegend Menschen, die wissen, um was es geht“, bestätigt Marianne Kollmesch (59). Die Agraringenieurin arbeitet bei der „Emweltberodung Lëtzebuerg asbl.“, die die Kampagne gegen Dünge- und Pflanzenschutzmittel seit ihrem Start im Jahr 2009 koordiniert. Sieben Jahre später gibt es einen Teilerfolg.

Per Gesetz ist es den Gemeinden seit Januar 2016 verboten, Pestizide auf den öffentlichen Grünflächen einzusetzen. Das betrifft öffentliche Parks und Gärten, Sport- und Freizeitplätze, Schulen und Kindergärten oder Spielplätze sowie Gelände in unmittelbarer Nähe von Pflegeeinrichtungen. Es gilt auch für öffentliche Verkehrsflächen einschließlich Straßenuntergrund, Straßenränder und Böschungen, die dem Staat und den Gemeinden gehören. So steht es im Gesetz.

Pestizidverbot auch für Privatleute 

„Ich finde, der nächste Schritt müsste sein, dass auch Privatleute keine Pestizide mehr benutzen dürfen“, sagt Kollmesch, die selbst einen Naturgarten hat und die lange Zeit gängigen Klischees über „saubere und gepflegte Gärten“ vor der Haustür kennt. „Ich finde, da hat sich schon viel geändert“, sagt sie. „Und es gibt ein großes Interesse für Naturgärten.“ Außerdem habe man in einem Naturgarten letztendlich weniger Arbeit, sagt sie. Das verstehen die Menschen, die sie berät, schnell.

Viel Arbeit hingegen hat Yves Diederich (41). Er hat vor vier Jahren den Gemüsebetrieb „Vum Gréis“ gegründet, der nach dem Flurnamen, auf dem sein 500 Quadratmeter großer Produktionsbetrieb im Roeserbann liegt, benannt ist. Er kommt aus einem Bauernbetrieb, hat die Ackerbauschule absolviert und jahrelang in anderen Zusammenhängen gearbeitet. Sein Vater hat 1983 den bäuerlichen Betrieb aufgegeben und er hat nun Teile des Landes zurückgepachtet.

„Vum Gréis“ funktioniert ohne Pestizide und im Sinne der solidarischen Landwirtschaft. Seinen eigenen Betrieb zu haben, war schon immer ein Traum von Diederich. Die Frage war nur, wie er es machen kann. „Die einzige Chance, in Luxemburg einen Landwirtschaftsbetrieb aufzumachen, ist bei den Preisen einer im Mikroformat, mit Selbstvermarktung und im Gemüsebau“, sagt er.

Solidarischer Gemüseanbau 

Seine Kunden zahlen ein „Abo“ für das ganze Jahr und bekommen zwischen Mai und November wöchentlich eine Kiste mit Gemüse. 110 Kunden oder, richtiger: Mitglieder, hat der Betrieb mittlerweile. Dieses Jahr sollen es mindestens 140 werden. Er hat also noch Aufbauarbeit vor sich und kennt die Voraussetzungen für solch eine Gründung. „Man muss sich weiterbilden“, sagt er. Das hat er als einen der Gründe identifiziert, warum so wenige sich dasselbe trauen wie er.

„Die Bauern haben keine Zeit für Weiterbildungen, sie müssen viel arbeiten, damit der Betrieb läuft, sonst haben sie keine Einnahmen“, sagt er. Die Suche nach Alternativen und die Kenntnisse, wie es gehen könnte, blieben dabei auf der Strecke, sagt er. Claire Thill (32) ist eine seiner insgesamt vier Mitarbeiter. Die gelernte Graphikerin kam über eine Weiterbildung zu Gemeinschaftsgärten in das Projekt.

„Ich habe gemerkt, dass 40 Stunden nur vor dem Computer nichts für mich ist“, sagt sie. Den Vollzeitjob im Kreativbereich hat sie auf 20 Stunden Teilzeit umgestellt. Sie braucht Sicherheit. „Für Gemüseanbau in Luxemburg muss man Idealist sein“, sagt sie. Der Grund liegt in der geringen Anzahl von Betrieben, die es überhaupt wagen.

Idealisten und Pioniere

Sogar das Landwirtschaftsministerium nennt den Umfang des Obst- und Gemüseanbaus im Land „bescheiden”. Das geht aus der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage danach aus dem Jahr 2020 hervor. 2019 waren von insgesamt 1.872 beim „Service d’économie rurale” registrierten landwirtschaftlichen Betrieben im Land nur 87 „wenigstens teilweise” im Obst- und Gemüseanbau aktiv.

„Gemüse anzubauen ist von so vielen Bedingungen abhängig“, sagt Thill. „Der klassische Gemüseanbau lebt von Fördermitteln.“ Unberechenbares Wetter, hohe Wasser- und Lohnkosten bremsen viele aus. Sie will weitermachen. Mittlerweile hat sie sogar eine eigene Idee eingebracht. Am Stand stehen Chilipulver und -pflanzen sowie Chilisalz zum Verkauf. „Das ist mein Baby“, sagt sie. „Mal sehen, wie es ankommt.“

Alternativen wie Gemeinschaftsgärten werden heute nicht mehr schräg angesehen, haben aber einen Haken. „Viele Gemeinden wollen einen Gemeinschaftsgarten“, sagt „Vum Gréis“-Gemüsebauer Diederich. „Sie stellen auch Mittel zum Aufbau zur Verfügung, aber dann fehlt das Geld für den, der sich darum kümmert.“

Daran scheitern Projekte wie diese dann. Das „Fest vun der Natur” ist ein schöner Anlass, mutige Pioniere kennenzulernen, die etwas ändern wollen. Vielleicht fehlt irgendwann mal einer. „Es wäre schön, wenn es uns mit unserer Sensibilisierungsarbeit irgendwann mal nicht mehr geben müsste”, sagt Kollmesch von der Kampagne „Ouni Pestiziden”. Dann wäre einiges erreicht.